Vor– und Frühgeschichte
Die geschichtliche Entwicklung Ehningens läßt sich weiter zurückverfolgen, als die ersten urkundlichen Erwähnungen im 12. Jahrhundert auf den ersten Blick vermuten lassen. Wie der Fund einer Pfeilspitze aus der Jungsteinzeit zwischen 3000 und 1800 vor Christi sowie die Entdeckung eines bronzezeitlichen Hügelgrabes 1800 bis 1200 vor Christi, am Fuße des Schneckenberges gelegen, zeigen, haben sich in unserem Raum schon zu dieser Zeit immer wieder Menschen aufgehalten.
Bei Ausgrabungen wurde 1984 auf dem heutigen IBM-Gelände eine keltische Viereckschanze ausgegraben. Weitere Fundstücke aus keltischer Zeit, z.B. Keramik oder Schmuck, weisen ebenfalls auf eine länger dauernde keltische Siedlungsperiode hin.
Seit Ende des 1. Jahrhunderts der neuen Zeitrechnung herrschten die Römer in unserer Region zwischen dem Limes entlang des Neckars und dem Oberrhein. Vielfältige und umfangreiche Informationen zu den Römern speziell in Baden-Württemberg finden sich im Internet u.a. auf den Seiten von www.lateinforum.de.
Um 260 nach Christi drangen dann die Alemannen in dieses Gebiet ein, und es dauerte nicht lange, bis sie begannen, in fruchtbaren und wasserreichen Gegenden Höfe und Gehöftgruppen anzulegen.
In späteren Jahrhunderten entstanden aus diesen einzelnen besiedelten Bereichen heraus Weiler und Dörfer. Ehningen hatte für diese Siedlungsentwicklung mit seinem leicht abfallenden Südhang und seiner Nähe zu fließendem Wasser eine äußerst günstige Lage.
Die Forschung rechnet Ehningen aufgrund 1878 aufgedeckter alemannischer Reihengräber und des auf -ingen endenden Ortsnamens den „schwäbischen Urdörfern“ zu. Der Ortsname „Ondingin“ oder „Ondingen“ weist vielleicht auf den Namen das Anführers der alemannischen Siedlungsgruppe mit dem Personennamen „Ondo“ hin.
Weitere Informationen zu den Alemannen in Südwestdeutschland finden sich z.B. im Alamannen- museum Ellwangen (www.alamannenmuseum-ellwangen.de) oder über die Stutt- garter Zeitung (www.stuttgarter-zeitung.de).
Eine informative und unterhaltsame Darstellung der schwäbischen Hochadelsgeschlechter (v.a. der Häuser Baden, Hohenzollern und Württemberg) findet sich in einer weiteren Ausgabe dieser Zeitung ebenfalls anläßlich des 50-jährigen Landesjubiläums.
Mittelalter
Die erste urkundliche Erwähnung Ehningens, die sich auf ein festes Jahr datieren läßt, findet sich in den württembergischen Urkundenbüchern. Danach erwirbt im Jahr 1185 der Ritter „Albertus de Ondingin“ ein Gut bei Herrenberg käuflich. Dieser Adalbert stammt aus dem ortsadligen Geschlecht der Herren von Ehningen und ist wohl ein Vasall der Calwer Grafen. An dieses Ortsadelsgeschlecht erinnert heute nur noch das Ehninger Schloss, das als einziges von zwei ehemaligen Burgen noch erhalten und bewohnt ist.
Noch bis Ende des 18. Jahrhunderts ist der Ort von einem Dorfzaun, dem Etter umgeben, der das Kleinvieh von den bebauten Äckern und das Großvieh von den zum Dorf gehörenden Gärten abhalten soll.
Gemeinsam mit den Toren und den wichtigsten Straßen des Dorfes noch Herrenberg, Böblingen und Weil der Stadt bzw. Dagersheim bildet er den mittelalterlichen Ortsrand. Auf diesen Ortsetter weisen heute noch das Gängle unterhalb der Steinstraße/Dagersheimer Straße und das Gängle zwischen Rathaus und Schloßstraße hin.
Das Ortsbild Ehningens wird durch die spätgotische Marienkirche gekennzeichnet, die aus dem 15./16. Jahrhundert stammt; der sehenswerte Flügelaltar von etwa 1480 wird 1903 an das Königliche Museum für Bildende Künste, die heutige Staatsgalerie in Stuttgart, verkauft.
Einen Eindruck, wie Ehningen früher ausgesehen hat, vermittelt die Forstkarte von Andreas Kieser.
Neuzeit
Bis hinein ins späte Mittelalter läßt sich über das seit 1357 württembergische Ehningen wenig Konkretes aussagen. Im 16. Jahrhundert zählt das Dorf rund 500 Einwohner und 1 00 Häuser. Trotz der stärker werdenden Teilung der Güter unter den Erben dürften sich Bewohner wegen der guten Böden in dieser Zeit eines gewissen Wohlstandes erfreut haben, der jedoch im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) jäh endet.
Die Einwohnerzahl verringert sich von 800 auf 300. Viele Menschen fallen der Pest und den Gewalttaten der immer zügelloser werdenden Soldateska zum Opfer.
Erst 100 Jahre später wird der frühere Einwohnerstand wieder erreicht. Die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts sind geprägt von dem wachsenden Dilemma einer schnell wachsenden Bevölkerungszahl und der nicht beliebig vermehrbaren Bodenfläche (Mißernten 1816/17 und um 1850). Viele Bewohner müssen auswandern und ihr Heil in Nordamerika oder anderenorts suchen.
Erst nach 1860 bessern sich die Verhältnisse angesichts der in Württemberg voranschreitenden Industrialisierung und den höheren Preisen für landwirtschaftliche Produkte, wobei vor allem der neu eingeführte Hopfen- und Zuckerrübenanbau ihren Anteil haben. Eine weitere Stabilisierung bedeutet die Eröffnung der Gäubahn 1879 von Stuttgart nach Horb und Freudenstadt. Schon 1851 war das Schloßgut Mauren als Teilgemeinde an Ehningen gefallen. Das Schloßgut hat sich über Jahrhunderte hinweg eine eigene und unabhängige Geschichte bewahrt und befindet sich bis in die jüngere Zeit im Besitz verschiedener Adelsfamilien. Das vom bedeutenden Baumeister Heinrich Schickardt errichtete Schloß fiel im Jahre 1943 einem Bombenangriff zum Opfer und ist heute nur noch als Ruine erhalten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Der Zweite Weltkrieg bildete den Wende Punkt in der Entwicklung des Dorfes. War Ehningen vor dem Zweiten Weltkrieg eine noch vorwiegend landwirtschaftlich geprägte Gemeinde mit rund 2000 Einwohnern, verlief die Aufwärtsentwicklung und das Wachstum Ehningens in den 30 Jahren nach Kriegsende oftmals geradezu stürmisch. Mehr als 1000 Heimatvertriebene waren unterzubringen.
Dank der zügig einsetzenden Neubautätigkeit insbesondere im Bereich Herdstelle in den Jahren 1949 bis 1954 sowie der unerwartet schnellen Erholung der Wirtschaft und der sich dadurch verbesserten Finanzlage der Gemeinde gelang es, bis in die 60iger Jahre genügend Wohnraum für die Neubürgerinnen und Neubürger zu schaffen. Neben der Schaffung von Wohnraum müssen aber auch zahlreiche weitere Aufgaben und Probleme wie Straßenbau, Kanalisation, Erschließung von Gewerbegebieten, Schule, Kindergarten usw. in Angriff genommen werden. Entsprechende Sportanlagen, Sporthalle und Hallenbad folgen. Waren es 1950 noch rund 3000,1960 rund 4000, so wohnten 1970 bereits 5890 Einwohnerinnen und Einwohner in Ehningen.
Mit dem Rückgang der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und dem Wachsen von Handwerk, Gewerbe und Industrie wandelte sich das Gesicht Ehningens vom Bauerndorf zu einer modernen Arbeitnehmer – Wohngemeinde. Stets ist es jedoch Ziel, Ehningen als schwäbisches Dorf zu erhalten und es nicht zu einem austauschbaren Vorort der sich atemberaubend entwickelnden Städte Böblingen und Sindelfingen werden zu lassen, In den Achtziger Jahren ist dieser rasante Anstieg von einer gemächlicheren Entwicklung abgelöst worden. Das Augenmerk liegt nun auf der Verbesserung des Wohnumfeldes und des Angebots für die Bevölkerung.
Im Rahmen der Ortskernsanierung wurde das Erscheinungsbild Ehningens verbessert und mit dem Marktplatz eine neue Ortsmitte geschaffen. Die Investition zahlreicher Ehningerinnen und Ehninger, aber auch vieler Neubürgerinnen und Neubürger sowie der Gemeinde schaffen Wohnraum und Atmosphäre in der Ortsmitte. In diese Zeit fallen die 800-Jahr-Feier 1985 und 150 Jahre Pfingstmarkt 1987, die beide festlich begangen werden. Der Ehninger Pfingstmarkt hat sich mehr und mehr zu einem auch weit über die Grenzen des Landkreises Böblingen hinaus bekannten Markt mit historischem Ursprung entwickelt.
(aus: Rainer Ganske: Ehningen – Geschichte und Gegenwart; in: Ehningen – Schwäbisches Dorf mit Herz; hrsg. vom Bürgermeisteramt Ehningen, 1. Auflage 1995, S. 6 – 7); mit Ergänzungen.
Heute
Aktuell ist die weitere Entwicklung Ehningens geprägt von der im Ende 2003 begonnenen Erschließung des neuen Baugebiets „Bühl“, wo etwa 300 neue Bauplätze sowie ergänzende Einrichtungen wie Discountmarkt, Kindergarten und ein Pflegeheim geschaffen werden sollen.
Aktuelle Informationen zu Ehningen finden Sie auf der Homepage der Gemeinde www.ehningen.de.
Urkunde von 1185
Anläßlich der ersten ersten nachweisbaren urkundlichen Erwähnung feierte Ehningen im Jahre 1985 das 800-jährige Jubiläum. Nachstehend abgedruckt ist die Übersetzung der Urkunde von 1185, die älteste auf ein genaues Jahr zu da- tierende Urkunde, die auf Ehningen Bezug nimmt. Das Original der Urkunde befindet sich heute im Staatsarchiv des Kantons Thurgau in Frauenfeld (Schweiz).
Wir bekunden den derzeit und zukünftig Lebenden, daß ich, Markwardt, besagter Abt in einem Vorort von Konstanz, nach Beratung mit meinen Mitbrüdern Klage über ein Gut in dem Orte Mühlhausen erhoben habe, das uns zu Unrecht entzogen wurde.
Da wir uns schon lange mit dem Streit beschäftigt haben, hat derjenige – Adelbert – dem dieses Gut aufgrund eines gezahlten Geldbetrages zu gehören schien, eingesehen, daß er nicht sicher darüber verfügen könne und unserer Kirche dieses Geld zum Heile seiner Seele und der Seelen seiner Eltern zusammen mit seiner Frau, namens M., übergeben. Auf ähnliche Weise haben die Erben, denen das Gut zufallen sollte, auf ihre Rechte verzichtet und das Gut, wie es das Recht gebietet, uns übergeben.
Vorgenannter Ritter von Ehningen tat dies unter der Bedingung, daß er das Gut mit seiner Frau aus unserer Hand als Lehen erhält, und zwar so, daß das Gut ohne Widerspruch wieder an uns zurückfällt, sofern sie ohne Nachkommen sterben. Hinzugefügt sei auch, daß seine Frau, sofern er zuvor ohne Nachkommen stirbt, oder wenn sie ohne ihn einen Nachkommen erzeugt, kein Recht daran hat.
Dieses Gut haben sie gegen eine jährliche Zahlung von sechs Tübinger Pfennigen erhalten, die ohne Abzug am Feste des Heiligen Remigius zu zahlen sind; widrigenfalls uns dieses Gut wieder heimfallen soll.
So geschehen in der Regierungszeit Kaiser Friedrichs und seines Sohnes Friedrich, Herzog von Schwaben, und im Jahre nach der Geburt Jesu Christi 1185. Zeugen sind: Albert und seine beiden Söhne Berthold und Albert und ihr Onkel Dietrich und Konrad mit seinem Bruder Rudolf von Wurmlingen und viele andere mehr.
Kelten in Ehningen / Viereckschanze
Der Begriff „Kelten“ geht auf griechische Überlieferungen aus dem 7. Jhdt. v. Chr. zurück. Er bezeichnet eine Gruppe von Volksstämmen in Mitteleuropa, die etwa von 7. Jhdt. v. Chr. bis ins 2./3. Jhdt. n.Chr. in der Region von Ostfrankreich über Süddeutschland/Schweiz bis Österreich und Slowenien siedelten. Als Hochphase der keltischen Kultur gilt die sog. La-Tène-Kultur (etwa 475 v. Chr. bis ca. um Christi Geburt.) Caesars beschreibt in seinem „De Bello Gallico“ die Kelten näher. Lange Zeit wusste man über die Kelten nur sehr wenig, da von ihnen keine schriftlichen Zeugnisse überliefert sind. Dennoch haben Bezeichnungen wie „Nagold“, „Neckar“ oder „Würm“, aber auch „Eisen“, die auf keltische Ursprünge zurückgeführt werden, bis in die heutige Zeit überdauert. Auch im Neuen Testament wird der Begriff Kelten noch unter der griechischen Bezeichnung „Galater“ verwendet. Erst umfangreiche Bodenfunde der letzten Jahrzehnte, so z.B. reich ausgestattete Fürsten-gräber und die Viereckschanzen oder der „Heidengraben“ beim Hohenneuffen, haben unser Wissen über die Kelten erheblich ausgeweitet.
Für weiterführende, umfangreiche Informationen über die Kelten wird auf die homepage des Keltenmuseums Hochdorf verwiesen (www.keltenmuseum.de).
Anfang 1984 wurde in Ehningen, auf dem Gebiet des heutigen IBM-Rechenzentrums, eine solche keltische Viereckschanze ausgegraben. Diese Viereckschanzen waren, entgegen der heute verwendeten Bezeichnung, keine Befestigungsanlagen, sondern dienten wohl eher als Kultstätten.
Adelheid Hanke hat in ihrem Beitrag „Ehningen in vor- und frühgeschichtlicher Zeit“, in „Ehningen – Beiträge zur Ortsgeschichte“, hrsg. vom Heimatgeschichtsverein für Schönbuch und Gäu e.V., 1985, diese Anlage und die dort gemachten Funde ausführlich erläutert. Die nachfolgenden Zeilen stützen sich auf ihren Beitrag.
Ein früher vorhandener Wall war durch den jahrhundertelangen Ackerbau völlig eingeebnet worden und der frühere vorhandene Graben verfüllt. Dieser Graben umgab einen Innenraum von etwa 75 auf 79 m. In der Mitte der Ostseite befand sich ein Zugang. Im Innenraum konn-ten mehrere Holzbauten nachgewiesen werden. Die Ehninger Viereckschanze stammt vermutlich aus dem 1. vorchristlichen Jahrhundert. Scherbenfunde deuten allerdings darauf hin, dass es bereits um 600 v. Chr. eine – nicht mehr lokalisierbare – keltische Siedlung gegeben hat. Wie lange diese Viereckschanze noch genutzt wurde, ist nicht feststellbar; der Graben dürfte jedoch bis zum 2. Jahrhundert n.Chr. bereits zur Hälfte verfüllt gewesen sein. Neben den keltischen Funden wurden noch zahlreiche römische Fundstücke geborgen, die vielleicht von römischen Bauten in der Umgebung stammen, so z.B. auch ein römischer Bildstein nit Victoria und Mars (siehe Straßenbezeichnungen: Römerstrasse, Keltenstrasse).
Schlösser/Burgen in Ehningen
Das Kreismedienzentrum des Landkreises Böblingen, des Arbeitskreises für Landeskunde beim staatlichen Schulamt Sindelfingen und des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V. haben in ihrem Projekt „Zeitreise BB“ eine sehr interessante zeitgeschichtliche Dokumentation zu Orten, Gebäuden, Personen und Ereignissen im Landkreis Böblingen zusammengestellt, die laufend weiter ausgebaut werden soll. Die web-Seiten dieses Projekts erreichen Sie unter www.zeitreise-bb.de
Für die Einzeldarstellungen bitte einfach in der nebenstehenden Übersicht das gewünschte Objekt anklicken!
Nachstehend eine Ehninger Ansichtskarte mit einer Abbildung des Ehninger Schlosses sowie des noch nicht zerstörten Maurener Schlosses
Der mittelalterliche Ortsetter (Etterzaun)
Ursprünglich wurden wohl die einzeln stehenden, verstreuten Behausungen und das Vieh mit einem Zaun geschützt. Bei einem mittelalterlichen Haufendorf konnten Häuser und Tiere besser mit einem gemeinsamen Palisadenzaun – eventuell noch mit Graben und Toren verstärkt – gegen fremde Übergriffe gesichert werden. Dieser Etter ist dann viele Jahrhunderte lang instand gehalten worden und geriet erst im 17. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Feuerwaffen allmählich in Verfall. Dennoch blieb sein Verlauf noch lange maßgeblich für die Bebauung als Grenze zu den Feldern. Erst im 19. Jahrhundert begann man wegen der engen Besiedlung im Ort auch über den Verlauf des Etters hinaus zu bauen. Da das Dorf nach Norden hin die geringsten Veränderungen gehabt zu haben scheint, läßt sich vermuten, daß das „Gängle“ vom Gasthaus Hirsch zur Gärtnerei Böhringer noch etwa der gleichen Linie folgt, auf der einst ein Stück des Etters gestanden hatte. Von der Gärtnerei an war dann die Westseite des Zaunes nach Süden abgebogen, hatte den aus dem Flecken nach Aidlingen und Herrenberg führenden Weg (Lange Gasse, heute Königstrasse) überquert und war im Bogen zur Würm gelaufen. Die Ostseite des Etters ist dann wohl von der Würm aus um den Kirchhügel herum zum Oberen Tor gelaufen und von dort aus parallel zur Dagersheimer Strasse wieder zum Linsentor (Nähe Gasthaus Hirsch). Der schmale Weg von der Schloßstrasse (zwischen Schloßstr. 17 und 21) hinauf zur Königstrasse – vorbei an Kinderkarten und Rathaus – markiert hier noch streckenweise den Verlauf des Etters. Ergänzt wurde der Etter durch drei Tore.
Quellen:
Karl Gleissner, Ehningen – Chronik eines schwäbischen Dorfes im Gäu, Heimatbuch der Gemeinde Ehningen, hrsg. von der Gemeinde Ehningen, 1965; Skizze ebda., S. 20
Ulrike Weiß, Häuser und Inschriften in Ehningen – Zeugen der Ortsgeschichte, hrsg. von der Gemeinde Ehningen in Zusammenarbeit mit dem Heimatgeschichtsverein Ehningen e.V., 1991
Die drei Ehninger Tore
Ehningen verfügte – als Ergänzung zum Etter – in früheren Zeiten über drei Tore:
- das Linsentor oder Weilemer Tor, durch das der Weg nach Dagersheim führte, etwa beim Gasthaus Hirsch
- das Böblinger Tor oder Obere Tor, an der heutigen Königstrasse, in Höhe des Hauses Königstr. 36
- das Untere oder Herrenberger Tor, an der heutigen Königstrasse, etwa in Höhe des Hauses Königstr. 86
Von diesem letztgenannten Tor ist sogar eine Skizze vorhanden. Die Zeichnung ist vom Hügel zwischen der Steinstrasse und der Aidlinger Vorstadt aus 1681 für die Kieser´sche Forstlagerkarte gemacht worden. Das Tor wird etwas unterhalb des Löwen über die Strasse gegangen sein, und seine zwei Fenster lassen auf eine Wachstube schliessen.
Auf Ortsplänen aus den Jahren 1523, 1579, 1680 und 1717 sind die Tore eingezeichnet.
Quellen:
Karl Gleissner, Ehningen – Chronik eines schwäbischen Dorfes im Gäu, Heimatbuch der Gemeinde Ehningen, hrsg. von der Gemeinde Ehningen, 1965
Helmut Keck, Ortspläne von Ehningen für die Jahre 1523, 1579, 1680, 1717; in: Ehningen – Beiträge zur Ortsgeschichte (Veröffentlichungen des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V., Bd. 16), Böblingen 1985, S. 41 ff.
Kirchen:
- Evangelische Kirche in Ehningen
- Die Ehninger und ihre Kirche in vergangenen Jahrhunderten – Vortrag Dr. Trugenberger 20.10.2006
- Reliefbilder in der Ev. Kirche
- Verzeichnis der Pfarrer dieser Kirche
- Kirche in Mauren
- Maurener Pfarrer
- Pfarrer vo´ Maure´, wo sind deine Baure´?
- Kath. Kirche St.Elisabeth in Ehningen und ihre Pfarrer
Forstkarte von Andreas Kieser
Eine Vorstellung, wie Ehningen in vergangenen Jahrhunderten aussah, vermittelt die Ortsansicht im württembergischen Forstkartenwerk des Andreas Kieser aus den 1680er Jahren. Das Original von Kiesers Forstkartenwerk ist im Zweiten Weltkrieg verbrannt, es sind aber noch Schwarzfotografien erhalten.
Die Ansicht zeigt Ehningen von Nordwesten am oberen Rand eines Kartenblattes. Der Ort war von einem Etterzaun umgeben, der die Siedlungsfläche von der Feldflur trennte. Zumindest ein Tor, das durch den Etterzaun führte, nämlich das Untere Tor, war sogar in Stein ausgeführt. Außerhalb des Etters befanden sich nur vier oder fünf Gebäude, eines im Westen, im Vordergrund zu sehen, der Schafhof, dann jenseits der Würm im Süden die Ziegelhütte und – bei Kieser am unteren Rand eines weiteren Kartenblattes dargestellt – die beiden Schlösser, das Untere Schloss und das Obere Schloss, beide überproportional groß gezeichnet. Damit betonte Kieser die Bedeutung der Schlösser und die hervorgehobene Stellung ihrer adligen Besitzer. Bei dem Gebäude unterhalb des Unteren Schlosses, ganz am unteren Rand der Karte, von dem auf der Fotografie nur das Dach zu sehen ist, handelt es sich entweder ebenfalls um die Ziegelhütte oder um die ehemalige Marienkapelle, an die bis heute der Flurname Beim Käppele erinnert.
Das Dorf selbst, wo Ende des 17. Jahrhunderts sicher nicht mehr als 700 Menschen, im Mittelalter noch weniger lebten, ist geprägt von der Kirche mitten im Dorf. Die Kirche überragte alle Häuser und war sicher auch das einzige Gebäude, das massiv aus Stein ausgeführt war.
Quelle: V. Trugenberger, Vortrag gehalten in der Ehninger Kirche am 20.10.2006
Weitere Informationen zur Forstkarte von Andreas Kieser:
Von jeher hat das ,,Altwürttembergische Forstkartenwerk” des Herzoglichen Württembergischen Kriegsrats und Obrist-Lieutenants Andreas Kieser einen besonderen Platz in der Reihe der alten, deutschen Landkarten eingenommen. Diese überaus vortreffliche topographische Arbeit war in den Jahren 1680-1687 während der Vormundschaftsregierung des damals noch im Kindesalter stehenden Herzogs Eberhard Ludwig (* 18. 9. 1676) auf Befehl seines Oheims und Obervormundes, des Herzogs Friedrich, Carl von Württemberg, entstanden. Der Zweck dieses Forstkartenwerks war, mit seiner Hilfe die durch den 30-jährigen Krieg zerrütteten, vielfach verwüsteten und schwer angeschlagenen Waldbestände des Landes wieder in Ordnung zu bringen. Damit sollte es der Übersicht zu den gleichzeitig hergestellten ,,Forstlagerbüchern” dienen.
Wenngleich die Kiesersche Arbeit, die als “die erste Landesvermessung Württembergs anzusehen ist”, nie ganz vollendet werden konnte und daher auch nur das Gebiet etwa zwischen Heilbronn and Reutlingen bzw. zwischen Herrenberg und Schwäbisch Gmünd umfaßt, so mindert diese Tatsache ihren Wert in keiner Weise, da diese einzigartige Forstkarte auch in Zukunft stets ,,das bedeutendste Vermessungswerk” des damaligen Herzogtums AIt-Württemberg bleiben wird.
So einmalig ihr hoher Wert in vermessungstechnischer Hinsicht ist, so einmalig ist auch ihre Bedeutung für die württembergische Landesgeschichte. Der historische Vorzug, den die Kieserschen Tafeln moderneren Karten gegenüber haben, besteht jedoch, darin, daß sie uns neben einer Fülle von Flurnamen das Bild der Städte und Dörfer des behandelten Gebiets mit seinen Schlössern, Klöstern und Kirchen, seinen Weilern und Höfen, seinen Ziegelhütten und Mühlen nicht im Grundriß, sondern in perspektivischer Ansicht vermittelt, die von den Zeichnern, “den Malerjungen”, mit einer geradezu liebevollen Gründlichkeit festgehalten und von ihnen – wie aus einer lustigen, bunten Nürnberger Spielzeugschachtel hervorgezaubert – mit geographischer Treue inmitten der sie umgebenden Wälder, Felder, Wiesen und Weinberge hineingestellt wurde. Selbst die heute längst verschwundenen Kapellen und Galgen am Wege sind dem Auge Kiesers und seiner beiden Mitarbeiter, den Hohentwieler Artilleristen Zeugwart Johann Niclahs Wittich und Büchsenmeister Joh. Jakob Dobler, nicht entgangen.
Nichts vermag eindringlicher die Umwelt vergangener Generationen zu schildern, als diese reizvollen Zeichnungen, die, soweit sie das heutige Kreisgebiet Waiblingen betreffen, mit Ausnahme der Ansichten von Schorndorf und Waiblingen, für die noch frühere Bildnisse vorliegen, die ältesten Bilder der Städte und Dörfer des Kreisgebiets darstellen! Es sind Bilder einer für uns heute längst unter- gegangenen Welt, deren Angesicht sich unter dem Dröhnen und Hämmern der Maschinen des 20. Jahrhunderts beinahe von Tag zu Tag verändert. Umso aufrichtiger muß daher unser aller Dank Andreas Kieser und ,,seinen geschworenen Feldmessern” gelten, die dieses uns so kostbare Werk vor rund 300 Jahren schufen!
Überaus betrüblich ist es, daß auch in diesem Falle unverständlicher Neid und kleinliche Mißgunst das so hoffnungsvoll begonnene Werk eines von reinstem Idealismus getragenen Mannes vorzeitig beendeten, weil seine Gegner seiner nicht würdig waren! Allein deshalb sind die Karten Kiesers unvollendet geblieben! Seine letzte Arbeit war der Schorndorfer Forst, zu dem auch die Orte des unteren Remstals gehören. Dann zog sich Kieser tief enttäuscht zurück. Sein großartiger Plan, ,,welcher die Detailaufnahme der Wälder mit der Herstellung einer einheitlichen Landeskarte im Maßstab 1:8256 in genialer Weise zu verbinden wußte, hat daher niemals eine Fortsetzung gefunden!” Und nur so ist es auch zu erklärcn, daß dieses Meisterwerk alter Landkarten schon bald wieder in Vergessenheit geriet und fast hundert Jahre lang unbeachtet im Dachstock über der Südhalle der damaligen Königlichen öffentlichen Bibliothek in Stuttgart lagerte, wo die Karten trotz Sicherung durch zwei eigens für sie gebaute Stahlschränke in der Nacht vom 12./13. September 1944 einem der zahlreichen Bombenangriffe auf die Landeshauptstadt zum Opfer fielen.
Es in das große Verdienst des verstorbenen Inspektors C. Regelmann, dieses ,,hochbedeutsame Vermessungswerk” der Nachwelt in einer überaus gründlichen und gewissenhaften Beschreibung überliefert zu haben, die in den ,,Württembergischen Jahrbüchern für Statistik und Landeskunde”, Jahrgang 1890/1891, Bd. II, S. 185-224, veröffentlicht worden ist. Eine erneute Würdigung fanden die Kieserschen Forstkarten im Rahmen der Ausstellung während des Internationalen Geographenkongresses in Warschau vom 23.-31. Aug. 1934, für die die Tafel Strümpfelbach – Stetten – Aichelberg – Lobenrot in ihrer ganzen Buntheit faksimiliert wurde.
Obgleich jedes Blatt dieses sich aus 280 Einzelkarten zusammensetzenden Werks noch rechtzeitig vor seiner völligen Vernichtung auf Plattengröße 13cm*18cm photographiert werden konnte, wofür der württembergischen Landesbildstelle und ihrem Leiter, Direktor Eug. Ziegele, heute nicht hoch genug gedankt werden kann, sind die Kartenblätter als Quellenmaterial für Geschichte und Volkskunde immer noch wenig bekannt.
Quelle: Rummel, Erich: Das Bild der Städte und Dörfer des Kreises Waiblingen in den Jahren 1685-1686, nach dem altwürttembergischen Forstkartenwerk des Andreas Kieser und seiner geschworenen Feldmesser, Waiblingen-Stuttgart, Späth, 1952; Auszüge aus dem Vorwort von E. Rummel
Übersicht zu den Karten des Böblinger Forsts:
Das Altwürttembergische Forstkartenwerk des Kriegsrats
Andreas Kieser
im Besitze der Königlichen öffentlichen Bibliothek zu Stuttgart.
Ein Beitrag zur Geschichte des Vermessungswesens
von Inspektor C. Regelmann.
Index II: Böblinger Forst.
Kat. Nr. | Name der Holztafel | Bemerkungen |
41 | Merklingen | Zeigt bei Merklingen und ,,Malmsen“ noch viele Äcker mit Gebüsch. |
42 | Renningen | Auf der Rückseite eine gedruckte Kastenordnung von 1615. |
43 | Warmbron | Mit Ansichten von Warmbronn und Eltingen. |
44 | Stammen | Ansichten von Stammheim und Kentheim. Am Nagoldthal Versuch einer Terraindarstellung. |
45 | Weylerstatt | Hübsches Blatt mit Stadtansicht, nebst Schaaffhausen und Osteltzheim. |
46 | Magstatt | Zeigt noch die ,,Capel“ bei Magstatt. |
47 | Magstatter-See | Eine nahezu ganz mit Wald erfüllte Karte. |
48 | Holtzbron | Zeigt noch ein Bild des Schlosses Waldeck. |
48a | Gechingen | Hübsche Ortsvignette. Origineller Nadelwald. |
49 | Detzingen | Viele kleine Waldparzellen; genau aufgenommen. |
50 | Dagersheim | Ansichten von Dagersheim, Darmsheim und Maichingen. |
51 | Sindelfingen | Ortsvignette gering, aber gute Lokalnamen. |
52 | Rohr | Waldkarte mit guten Quellennamen: Lauenbron und dergi. |
53 | Ober-Aych | Grenzblatt mit Unter-Aych. Auf der Rückseite handschriftlich: Zwey Tabellen fehlen. |
54 | Sultz | Versuch der Terraindarstellung mit gewundenen Schraffen. |
55 | Deckenpfron | Ansichten von Deckenpfronn und Dachtel. |
56 | Eyttlingen | Ansichten von Aidlingen und Deufringen. |
57 | Enningen | Hübsche Ansicht von Eningen. |
58 | Böblingen | Rückseite: Kastenordnung gedruckt 1615. Sehr hübsche Ansicht der Stadt BöbIingen: 1st genau entnommen aus Zeiller Merian. Top. Germ. 1643. |
59 | Musberg | Waldkarte; die Forstgrenze 1st durch einen roten und silbernen Streif bezeichnet. |
60 | Echterdingen | Mit Ansichten von Stetten, Weller Weydech und Leinfelden. |
61 | Grumbachbron | Grenzblatt bei Sulz. |
62 | Isingen | Zeigt noch den ,,Aychel See“. |
63 | Gertringen | Ansichten von ,,Nuffringen“ und ,,Rohren“. |
64 | Mauren | Mit der ,,Ketterlinshalden“ und zwel Ehninger SchIössern. |
65 | Holtzgerlingen | Auf dem Schönaycher Wasen ein Jäger im Anschlag. |
66 | Waldenbuch | Lehrreiche Ansichten auch von ,,Steinebron“ und ,,Neuweyler“. (Die Forstgrenze ist als Silberstreif gezeichnet.) |
66a | Plattenhardt | Mit den Wildern des Reichenbachgebietes. |
67 | Kuppingen | Ansicht von ,,Affstetten“. |
68 | Herrenberg | Lehrreiche Ansicht von Stadt und Schloß Herrenberg. |
69 | – | Ist identisch mit Nr. 195 Tübinger Forsts. |
70 | – | Ist identisch mit Nr. 196 Tübinger Forsts. |
Entwicklung der Einwohnerzahlen des Ortes
Jahr Einwohner Quelle
1850 1.607 Oberamtsbeschreibung 1850
1850 1.637 Mezger
1863 1.307 Mezger
1939 1.985 Mezger
1950 3.068 Mezger
1956 3.536 Mezger
1964 4.085 Mezger
1965 5.060 Mezger
1970 5.890 Heinzmann
1980 7.217 Heinzmann
1990 7.209 Heinzmann
2000 7.352 Heinzmann
2008 7.931 Gemeinde Ehningen / homepage / Zahlen und Fakten
Auswanderung
In Zeiten der wirtschaftlichen Not, aber auch der politischen Bedrängnis, neigen Menschen dazu, in andere Regionen der Erde auszuwandern, in der Hoffnung, dort bessere Lebensbedingungen vorzufinden. Ob solche Hoffnungen sich immer erfüllen, kann sicherlich nur an Einzelschicksalen nachvollzogen werden.
In Deutschland gab es gerade im 19. Jahrhundert mehrere Auswanderungswellen vor allem nach Nordamerika. Um die vertraute Umgebung, die Bindung an vertraute Personen und familiäre Beziehungen aufzugeben, bedurfte es schon einer erheblichen Anstrengung. Wie groß muß die Not gewesen sein, wenn die Menschen damals ihr Hab und Gut verkauften, um die lange und gefährliche Überfahrt über den Atlantik bezahlen zu können – ohne zu wissen, was sie auf der anderes Seite des Meeres erwartete. Viele überlebten die Reise nicht, sei es aufgrund der Strapazen der langen Fahrt oder auch weil ihr Schiff unterging. Und die meisten Auswanderer fuhren in der Gewissheit, ihre Angehörigen in der alten Heimat nicht mehr wiederzusehen.
Das Hauptstaatsarchiv Stuttgart und das Generallandesarchiv Karlsruhe haben dieses Thema aufgegriffen und bieten auf einer web-Seite Informationen über die Auswanderungen aus Süddeutschland an. Es besteht auch die Möglichkeit, anhand von Namen oder Ortsangaben nach Auswanderern aus der Familie oder aus dem eigenen Ort zu suchen.
Heimatvertriebene
Für über 12 Millionen Menschen bedeutete das Ende des Zweiten Weltkriegs auch Vertreibung aus ihrer Heimat. Der Landkreis Böblingen nahm in den Jahren 1945 bis 1958 rund 35.000 Heimatvertriebene auf. In vielen Gemeinden wurden zur Unterbringung eigens neue Siedlungsgebiete erschlossen.
In Ehningen wurde aus diesem Grund in den 50er Jahren u.a. das Gebiet „Herdstelle“ erschlossen und bebaut. Die Einwohnerzahl Ehningens stieg von knapp 2000 Einwohnern am Kriegsende innerhalb kurzer Zeit auf fast 3000 Personen. Unter den Heimatvertriebenen waren auch viele Katholiken. Dies führte zum Bau und zur Einweihung der katholischen Kirche St. Elisabeth in Ehningen im Jahr 1957.
Informationen zu diesem Themenkomplex sollen zu einem späteren Zeitpunkt noch ergänzt werden.
Über die der Heimatvertriebenen im Kreis Böblingen informiert das Projekt „Zeitreise“. Weitere ortsübergreifende Themen finden Sie im Projekt „Zeitreise-BB“ auch unter „Kreisgemeinden“/“Kreis Böblingen“.
Die Kirche St. Elisabeth
Die katholische Kirche St. Elisabeth an der Waagstrasse gehört heute ganz selbstverständlich zu Ehningen und prägt das Erscheinungsbild dieses Ortsteils. Doch das war nicht immer so. Noch 1945 waren hier nur Felder und Äcker.
Seit Einführung der Reformation im Jahr 1555 durch Herzog Ulrich war Ehningen, wie das ganze Gäu, evangelisch. Erst mit den größeren Industrieansiedlungen im Raum Böblingen/Sindelfingen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, insbesondere nach dem 1. Weltkrieg, kamen wieder mehrere katholische Familien nach Ehningen. Zu Beginn des 2. Weltkriegs lebten etwa zwei Dutzend Katholiken im Ort, die von Böblingen aus kirchlich betreut wurden. Erst mit dem Ende des Krieges kamen innerhalb weniger Wochen und Monate mehrere hundert Heimatvertriebene nach Ehningen, unter ihnen auch viele Katholiken. Die erste größere Gruppe von etwa 70 Personen traf am 27. März 1946 in Ehningen ein. Innerhalb weniger Jahre kamen zu den bei Kriegsende etwa 1.900 Ehningern rund 1.000 Neu- bürger hinzu.
Den Kraftakt, den die Eingliederung dieser Menschen für den Ort bedeutete, kann man heute kaum noch nachvollziehen. Dringendstes Problem war die Unterbringung. Kurzfristig ging dies nur über Zwangsmaßnahmen: Wer von den Ehningern drei oder mehr Zimmer hatte, mußte eines davon zur Verfügung stellen. Plötzlich wohnte man mit völlig fremden Personen unter einem Dach. Wäre das heute noch vorstellbar? Meist mußten sich dann auch noch zwei Familien eine Küche oder Bad teilen. Reibereien waren daher nicht selten.
Und wer kann sich heute noch die Situation der Heimatvertriebenen vorstellen? Zuerst hatten sie ihr Hab und Gut, ihr Haus, ihre Arbeit und oft genug auch nahe Angehörige verloren. Sie lebten plötzlich als eher unwillkommene Gäste unter einem Dach mit fremden Menschen, deren Dialekt sie kaum verstehen konnten. Keiner konnte sagen, wie es weitergehen sollte.
Aber dank gegenseitigem Kennenlernen, viel Verständnis, gutem Willen und tatkräftiger Hilfe auf allen Seiten gelingt die Integration. Alle packen an; mehr Menschen brauchen Nahrung, Kleidung, Hausrat, dies schafft auch Arbeit. Bald entstehen neue Baugebiete, z.B. an der Herdstelle, rund um die heutige Waagstrasse usw., die heute aus Ehningen nicht mehr wegzudenken sind.
Mitte April 1946 kam auch Josef Pöss, der spätere katholische Pfarrer, aus dem Flüchtlingslager Unterjettingen nach Ehningen. Dazu ist folgende Anekdote überliefert:
Der damalige Bürgermeister Karl Barth empfängt die überwiegend aus Frauen und Kindern bestehende Gruppe vor dem alten Rathaus und ruft etwas enttäuscht: „Was bloss Fraua ond Kender? Koine Männer?“ Daraufhin geht Pfarrer Pöss auf ihn zu und stellt sich vor. „Au des no. Des brauchet mer koin – mir send elle evangelisch“.
Aber sie werden bald zu guten Freunden. Schon bald stellt auch die evangelische Kirchengemeinde ihren katholischen Nachbarn ihre Kirche für den sonntäglichen Gottesdienst zur Verfügung. Zusätzlich stellt die Familie Kohle in ihrem Haus in der Bismarckstrasse der katholischen Gemeinde einen Raum zur Verfügung, der als kleine Kapelle eingerichtet wird. Bis 1957 werden hier die Wochentagsgottesdienste und Andachten gefeiert.
Bereits 1946 machte sich der Böblinger Stadtpfarrer Lang erste Gedanken über einen Kirchenbau in Ehningen. Deshalb soll vom Ehninger Schloßherrn von La Chevallerie ein Grundstück unterhalb der Fronäckerschule erworben werden. Doch die Gemeinde hat dieses Grundstück bereits für den Bau einer Turnhalle und eines evang. Gemeindehauses vorgesehen. Mehrere weitere avisierte Grundstücke kommen aus unterschiedlichen Gründen nicht in Frage. Im Mai 1953 kann dann ein passendes Grundstück an der Maurener Strasse erworben werden.
Im September 1955 erfolgt der erste Spatenstich. Zur Patronin der neuen Kirche wird Elisabeth von Thüringen gewählt, da sie selbst im Südosten Europas geboren wurde, viele Jahre heimatlos war und arm in Deutschland lebte. An ihrem Fest, dem 19. November 1955, erfolgte die Grundsteinlegung.
Am 31. März 1957 kann die erste Messe in der neuen Kirche gefeiert werden. Die Kirche erhält eine neue Glocke (aus der Heilbronner Giesserei Bachert) sowie eine Leihglocke. Dabei handelt es sich um eine jener Glocken, die im Krieg abgeliefert werden mußten, aber nicht mehr eingeschmolzen wurde. Sie können nach Kriegsende den im Osten liegenden Gemeinden nicht zurückgegeben werden und werden daher Gemeinden im Westen leihweise zur Verfügung gestellt. Die Ehninger Leihglocke stammte aus Hennersdorf/Oberschlesien und wurde 1651 gegossen. Die feierliche Weihe des Kirchenneubaus findet am 7. und 8. September 1957 statt. In den folgenden Jahren erhält die Kirche u.a. eine Statue der Hl. Elisabeth, einen Kreuzweg und 1964 auch eine Orgel. 1990/91 wird das Kircheninnere grundlegend renoviert. 1996 erhält die Kirche neue, von R. Seitz aus Heilbronn gestaltete Fenster.
Pfarrer in Ehningen:
1. | Josef Pöss | April 1946 | Februar 1973 |
2. | Helmut Streit | Mai 1973 | September 1986 |
3. | Hans-Jürgen Dronia | Oktober 1986 | Januar 1987 |
4. | Stefan Sellinger | Oktober 1987 | September 1996 |
5. | Paul Wisser | Mai 1997 |
Quellen:
„An katholischa Pfarrer braucha mir koin“, Artikel in der Kreiszeitung, 29.3.1996
40 Jahre St. Elisabeth Ehningen; Festschrift anläßl. des 40-jährigen Kirchweihjubiläums der Kirchengemeinde St. Elisabeth in Ehningen; hrsg. von der Kath. Kirchengemeinde St. Elisabeth Ehningen (1997)